EM 2024: Hier feiert der BILD-Reporter mit den Holländern (2024)

O-R-A-N-J-E! Sechs Buchstaben und ein Gefühl, das eine Fußball-Nation verbindet. Nicht erst seit dieser Europameisterschaft gehen die Bilder von tausenden orange gekleideten Holland-Fans, die vor den Spielen mit ihren Märschen zum Stadion die Straßen fluten, um die Welt.

Ich, der BILD-Reporter, habe die Faszination erlebt: Vor dem 0:0 am Freitagabend gegen Frankreich tauchte ich ins Oranje-Meer ein – 53 Minuten und 2,3 Kilometer, die ich nie vergessen werde.

★★★

Leipzig, Wilhelm-Leuschner-Platz, 17.50 Uhr: Leichter Regen in der sächsischen Metropole. Schwüle Luft mit einer Mischung aus Schweiß, Bier und beißendem Pyro-Nebel. Dazu eine aufgeregte Fan-Masse, die endlich lospreschen will – wie Rennpferde.

Kein Wunder: Schon seit Stunden haben sich die Anhänger in Stimmung gebracht. Erst in den Kneipen der Innenstadt, wo das Bier während des Turniers im Plastikbecher ausgeschenkt wird und der halbe Liter sechs Euro kostet. Dann in der Fan-Zone, die wegen Unwetter erst drei Stunden später öffnet und binnen weniger Minuten wegen Überfüllung wieder geschlossen werden muss.

Wer nicht orange gekleidet ist, fällt auf! Zum Glück habe ich mich vorher eingedeckt.

Die Farbe ist purer Nationalstolz und geht auf das niederländische Königshaus Oranien-Nassau zurück (niederländisch: Oranje-Nassau). Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts war die National-Farbe auch noch Teil der Flagge: Anstelle des Rot-Tons war der oberste Streifen orangefarben.

In Leipzig ist sie allgegenwärtig und Grundlage der verrückten Outfits. Vom klassischen Trikot geht es über den edlen Anzug, den Löwenpelz bis hin zum aufwendig gestalteten Kostüm.

Miek van Rens-Verbers (60) trägt so eins. Die selbsternannte Käse-Königin ist im Fan-Lager der Holländer mit ihren goldenen Clogs, dem rot-weiß-blauen Kleid mit aufgestickten Tulpen und vor allem ihrem XXL-Käse auf dem Kopf nicht zu übersehen. Was auch ins Auge fällt: Ihre Fingernägel – in Belgien-Optik! „Die trage ich seit 2016. Damals waren wir bei der EM nicht dabei und ich habe unsere Nachbarn beim Turnier angefeuert“, sagt sie lachend.

Acht Jahre später liegt ihr Fokus aber voll auf dem Team von Bondscoach Ronald Koeman (61). Die Mehrheit der Fans glaubt an den ersten Titel seit 1988. Damals wie heute fand die EM in Deutschland statt. Leipzig gehörte damals allerdings noch zur DDR. 26 Jahre danach ist die Stadt – zumindest kurzzeitig – fest in Holländer-Hand.

Nach Polizeiangaben marschieren an diesem Tag 25.000 Fans zum Stadion. Sie alle folgen einem Engländer: Der Doppeldecker-Bus – natürlich in Orange – ist Baujahr 1980 und wurde bis 1998 im Linienbetrieb in London eingesetzt.

Seit der EM 2004 in Portugal gehört er zum festen Bestandteil der Oranje-Party. Zum Vorrundenstart fand damals der erste holländische Fan-Marsch überhaupt statt. Vom Oranje-Bus aus wurden die Fans auf der rund fünf Kilometer langen Route mit Partymusik beschallt. So erlangte er Kultstatus.

Kult ist auch der Hit „Links Rechts” der Band „Snollebollekes“. Auf dem Weg zum Stadion sorgt der mit Abstand am meisten gespielte Song dabei immer wieder für Unterbrechungen. Denn wird er gespielt, geht es statt vorwärts minutenlang plötzlich nur seitwärts.

Der Song entfacht ungeahnte Kräfte: Als 2019 die 40.000 Besucher des „Koningsdag“, dem Nationalfeiertag der Holländer, in der Stadt Breda euphorisch zu dem Lied tanzten, wurden kleine Erdbeben registriert.

In Leipzig sind die Auswirkungen zum Glück nicht so stark. Stattdessen mischt sich ein süßlicher Duft in den omnipräsenten Pyro-Nebel. Der Fan neben mir zieht fröhlich an seinem Joint. Seine Freude über die Lockerung des Marihuana-Gesetzes in Deutschland ist zu spüren. „Es ist fast wie zu Hause – und das Bier schmeckt auch“, sagt der paffende Holländer und lächelt selig.

„United by Football“ (deutsch: Vereint durch Fußball) heißt das Motto des Turniers. Und das spürt man auch während des Marschs. Unter die Oranje-Fans haben sich auch zahlreiche deutsche und französische Anhänger gemischt. Von Rivalität oder gar Gewalt keine Spur. Stattdessen bewegt sich der Zug friedlich zum Stadion.

Holland-Star schwärmt von Oranje-Fans

Passend: Als die Leipziger Arena in Sichtweite ist, reißt der Himmel auf. „Die orange Sonne strahlt für uns Oranjes“, sagt Jos (65). Für sie ist es bereits ihr 152. Länderspiel. Eine Zahl, von der die Spieler ihrer Mannschaft aktuell allesamt noch weit entfernt sind. Den Einsatz ihrer Fans wissen sie aber wohl zu schätzen.

Inter-Mailand-Star Denzel Dumfries (28) zu BamS: „Das ist einfach Wahnsinn. Wie sie uns im Stadion und auf den Straßen unterstützen ist beeindruckend. Das gibt uns viel Energie und einen zusätzlichen Schub.“

Den werden die Kicker am Dienstag (21 Uhr) auch in Berlin brauchen. Im Gruppenendspiel geht es gegen Österreich. Ein Sieg mit einem besseren Torverhältnis als die parallel spielenden Franzosen gegen Polen – und Leipzig sieht seine ekstatisch feiernden Gäste schnell wieder. Denn der Erste der Gruppe D trägt sein Achtelfinale erneut in Sachsen aus...